Fünf Kanonenschläge um sechs

Fünf Kanonenschläge um sechs

So wird man geweckt    an Leonhardi. Ein ohrenzerfetzender Kanonenschlag  riss die Menschen um Punkt sechs Uhr aus dem
Tiefschlaf. Erst dachte ich, ich hätte den Lärm geträumt. Doch im
Minutenabstand folgten vier weitere Donnerschläge, die durch das enge Weissachtal hallten wie die Peitschenhiebe eines Riesen. Als potenziell andere denkbare Möglichkeit zog ich blitzschnell in Betracht, dass die Österreicher einen auf Putin machen und sich überlegt hätten mal eben Bayern zu annektieren. Unmittelbar nach den Kanonen einsetzendes Kirchengeläut bestätigte mich in dieser Annahme. Hier war Großes im Gange. (mehr …)

Namibia – eine Rückschau

Namibia – eine Rückschau

“Ich hatte eine Farm in Afrika” – dieser prägnante Eingangssatz aus der Verfilmung von Tania Blixens Roman “Jenseits von Afrika” wollte mich die ersten Tage in Namibia gar nicht mehr loslassen. Er hatte sich förmlich in mein inneres Ohr eingenistet während ich mit einer kleinen Reisegruppe im modernen Mercedes Sprinter über die staubigen Schotterpisten dieses wunderschönen Landes brauste. Denn was war das für eine Weite! Und was für eine Leere. (mehr …)

ganz anders als erwartet

ganz anders als erwartet

freiwillig zieht einen ja nix nach warschau. denkt man über eine städtereise nach polen nach, sagt alle welt gleich: krakau. kann ich nix zu sagen, war ich noch nicht. aber dafür war ich letztens in warschau. und was war das für eine überraschung. natürlich strahlt die stadt an vielen ecken noch den charme einer sozialistischen metropole aus.
aber auch nur hintergründig. denn mal ehrlich, mit riesigen coke- oder banken-reklamen hatte es der sozialismus ja nicht so. die zieren aber in warschau viele der ehemaligen volkseigenen gebäude. nun gut, eine zierde sind diese reklametafeln nicht. nirgends auf der welt. aber da ist warschau ebenso im westen angekommen wie es san diego oder san sebastian schon immer waren. wo die sozialistische bauweise aber was hermachte, da haben die warschauer sie auch erhalten wie zum beispiel in ihrem kulturpalast, der einem natürlich sofort ins auge fällt, wenn man aus dem hauptbahnhof centralna herauskommt.

was aber weitaus überraschender war, ist die warschauer altstadt, die in einem geradezu fantastischen zustand ist. beim bummel über die Trakt Królewski (eine der längsten repräsentationsstraßen der welt) glaubte ich mich zu erinnern, dass warschau bei kriegsende fast vollständig in trümmern gelegen hatte. und nun dieses einheitliche bild gut erhaltener fassaden und gebäude? ja. denn zahlreiche der paläste und wohnhäuser und die komplette warschauer altstadt sind zum teil erst in den 80er jahren wieder aufgebaut worden. und so ist in warschau ein ambiente entstanden, was wirklich selten ist. ganze straßenzüge ohne eine moderne anmutung versetzen einen zurück in eine zeit irgendwo zwischen rokoko und klassizismus. die altstadt von warschau ist uneso-weltkuklturerbe. auf dem prächtigen marktplatz, dem Ryneck, herrscht ein munteres treiben, laden straßencafés zum sitzen und gucken ein und klingt der jazz aus den bekannten clubs.

ganz verträumt ist dagegen der Łazienki-Park. der 80ha große park im englischen stil gehört zu den schönsten parkanlagen europas. und abgesehen von dem wie ich finde eher scheußlichen chopin-denkmal, bietet der park eine fülle von wunderschönen blickwinkeln auf schlösschen und skulpturen. alles in allem: warschau ist eine reise wert.

endstation kundenoffensive

die berliner sbahn startet endlich wieder durch. offensichtlich haben einige mitarbeiter bereits kundenbindungsseminare durchlaufen. denn entgegen der sonst gewohnten knarzlaute (“endstation, allet austeejen”), war heute morgen beim umsteigen am ostbahnhof vom fahrer der dort endenden s3 völlig akzentfrei folgendes zu hören: “verehrte fahrgäste, der zug endet hier. wir bedanken uns, dass sie die sbahn als ihr fortbewegungsmittel gewählt haben. wir wünschen ihnen einen schönen tag. bis bald.” also, “verehrt” hat mich die sbahn bislang noch nie. ich bin ganz konsterniert. das waren offensichtlich auch die anderen fahrgäste, denn im waggon machte sich nach dieser durchsage ungläubiges staunen breit und auf einigen gesichtern lag ein verhaltenes, mildes lächeln. nach dem umsteigen gings dann in die s7. die war mal wieder so voll, dass die türen nur zugingen, nachdem alle einmal kollektiv die bäuche einzogen. ob der fahrer dieser linie an der endstation auch alle fahrgäste verehrte und ihnen einen schönen tag wünschte, konnte ich leider nicht mehr verifizieren. musste die sardinenbüchse blöderweise vorher verlassen.

hoffen aufs ostkreuz

eigentlich hatte ich ja gedacht: was für ein luxus! seit einigen wochen fährt meine bahn nämlich – trotz sbahnkrise – in einem rutsch bis zur friedrichstraße durch. kein umsteigen und rumstehen mehr am ostbahnhof. das spart, na bestimmt, fünf minuten zeit! und, hola, das beste ist, wenn frau einen sitzplatz von anfang hat, schafft sie von der zeitung auf jeden fall den mantel und den berlinteil. im stehen kann ich nämlich nicht lesen. da wird mir schwindelig. vermutlich nervöses innenohr – man weiß es nicht… nun gut, zurück zur durchfahrtproblematik: problematisch ist es deshalb, weil nur jede zweite bahn durchfährt. die dazwischen hält wie gehabt am ostbahnhof und zwingt den müden morgendlichen bzw. abendlichen pendler zum verweilen am unwirtlichen bahngleis. nun denkt sich also in meinem kuscheligen vorort jeder pendler – und vermutlich auch jeder pendler in den vororten vor meinem heimatbahnhof – der bis friedrichstraße und darüber hinaus muss: da nehm ich doch die durchfahrende bahn, das ist bequem. falsch gedacht, liebe pendlerkollegen! denn jetzt sind die durchfahrenden bahnen rapsvoll, die mit umsteigezwang dagegen sind übersichtlich leer. na, toll! der morgendliche run auf die wenigen noch freien plätze, wenn die bahn einrollt, ist jedenfalls guinessbuchwürdig. die fülle in den abteilen hat tokioter qualitäten. wenn man am bahnsteig nicht absolut optimal positioniert steht – also, dort, wo sich direkt simsalabim die bahntür vor der nase öffnet und man als erste reinstürmen und auf den oftmals einzigen noch freien platz zustürzen kann, wenn man also vielleicht erst als zweite oder gar dritte durchs ziel geht, ja dann steht man halt – schlimmstenfalls bis friedrichstraße. das sind 11 stationen. einen hoffnungsschimmer gibt es allerdings: das ostkreuz. das ist, wie der name schon vermuten lässt, ein umsteigekreuz. da wird dann schon mal ein platz frei. und wenn man schnell ist, kann man dann sitzen, für die restlichen 6 stationen.

die rache des hartmut m.

die zweite sbahnkrise 09 geht in die dritte woche. diese ist viel schlimmer als die erste. auf dem stadtabschnitt geht nach wie vor nix. die wenigen regionalzüge, die die masse der sbahnfahrenden zwischen zoo und ostbahnhof ausfallsweise aufnehmen sollen, bersten. in der zahlreichen wartezeit, die ich in den vergangenen wochen angehäuft habe, konnte ich mir ausreichend gedanken über die hintergründe dieses desasters machen. und jetzt weiß ich es: die ganze sache ist von langer hand geplant, die perfide rache eines kleinen mannes, der ganz groß werden wollte, aber immer schon geahnt haben muss, dass er das nicht schaffen würde. und da hat sich dieser kleine große mann beizeiten hingesetzt und sich ein diabolisches szenario ausgedacht, in dem eine ganze stadt zum leiden gezwungen wird – vom image- und materiellen schaden gar nicht zu reden. gesagt, getan, hat er dann die maßgaben für völlig überzogene abgaben an seine getreuen weitergegeben in dem bewusstsein, dass das in eine katastrophe münden würde. und jetzt haben wir den salat. und ich bin mir sicher: das leiden hat noch lange kein ende. und was mich an dieser erkenntnis wiederum verblüfft ist die tatsache, dass sich niemand dagegen wehrt. niemand steht auf und haut dem wirklich verantwortlichen dafür einen in die fresse. wäre ich nicht durch und durch pazifistin, ich würde es tun.