sangria mit eisbein

morgens in der sbahn ist ja eigentlich nur eine sorte leute unterwegs: die, die zur arbeit oder in die uni eilen. die mit eher viel freizeit fahren später (außer rentner, die sind ja immer früh auf den beinen). die spezies zur-arbeit-eilender zeichnet eines aus: sie spricht nicht. sie starrt aus dem fenster oder liest zeitung. umso mehr fällt es also auf, wenn morgens in der bahn plötzlich jemand spricht. noch dazu, wenn er laut spricht. und umso mehr, wenn er mit sich selbst spricht. obwohl – mit sich selbst sprach der mann mit dem sangria-tertapack in der brusttasche seiner jacke eigentlich gar nicht. nach einem kräftigen frühstücksschluck aus der packung erzählte er allen in hörweite, dass er heute geburtstag habe. hier machte er eine pause – ich vermute um etwaigen spontanen gratulanten die möglichkeit zu sprechen zu geben. keiner sagte was. er werde 47, erzählte der mann weiter. das sei doch kein alter, oder? niemand stimmte zu. jetzt sei er auf dem weg zu oma. da gebe es heute eisbein. extra für ihn. noch ein schluck sangria. dann sagte er noch wie toll seine oma sei und wie toll, dass sie ihm eisbein koche. als er das sagte wurde seine raue trinkerstimme richtiggehend weich. ich fand es irgendwie rührend, dass der mann sich auf seine oma freut und seinen geburtstag mit ihr bei eisbein und sangria verbringt. und ich fand es traurig, dass ihm niemand in der sbahn gratuliert hat. ich hab mich mal wieder nicht getraut, was zu sagen. deswegen von hier aus: happy birthday, eisbeinmann!

hoffen aufs ostkreuz

eigentlich hatte ich ja gedacht: was für ein luxus! seit einigen wochen fährt meine bahn nämlich – trotz sbahnkrise – in einem rutsch bis zur friedrichstraße durch. kein umsteigen und rumstehen mehr am ostbahnhof. das spart, na bestimmt, fünf minuten zeit! und, hola, das beste ist, wenn frau einen sitzplatz von anfang hat, schafft sie von der zeitung auf jeden fall den mantel und den berlinteil. im stehen kann ich nämlich nicht lesen. da wird mir schwindelig. vermutlich nervöses innenohr – man weiß es nicht… nun gut, zurück zur durchfahrtproblematik: problematisch ist es deshalb, weil nur jede zweite bahn durchfährt. die dazwischen hält wie gehabt am ostbahnhof und zwingt den müden morgendlichen bzw. abendlichen pendler zum verweilen am unwirtlichen bahngleis. nun denkt sich also in meinem kuscheligen vorort jeder pendler – und vermutlich auch jeder pendler in den vororten vor meinem heimatbahnhof – der bis friedrichstraße und darüber hinaus muss: da nehm ich doch die durchfahrende bahn, das ist bequem. falsch gedacht, liebe pendlerkollegen! denn jetzt sind die durchfahrenden bahnen rapsvoll, die mit umsteigezwang dagegen sind übersichtlich leer. na, toll! der morgendliche run auf die wenigen noch freien plätze, wenn die bahn einrollt, ist jedenfalls guinessbuchwürdig. die fülle in den abteilen hat tokioter qualitäten. wenn man am bahnsteig nicht absolut optimal positioniert steht – also, dort, wo sich direkt simsalabim die bahntür vor der nase öffnet und man als erste reinstürmen und auf den oftmals einzigen noch freien platz zustürzen kann, wenn man also vielleicht erst als zweite oder gar dritte durchs ziel geht, ja dann steht man halt – schlimmstenfalls bis friedrichstraße. das sind 11 stationen. einen hoffnungsschimmer gibt es allerdings: das ostkreuz. das ist, wie der name schon vermuten lässt, ein umsteigekreuz. da wird dann schon mal ein platz frei. und wenn man schnell ist, kann man dann sitzen, für die restlichen 6 stationen.

die rache des hartmut m.

die zweite sbahnkrise 09 geht in die dritte woche. diese ist viel schlimmer als die erste. auf dem stadtabschnitt geht nach wie vor nix. die wenigen regionalzüge, die die masse der sbahnfahrenden zwischen zoo und ostbahnhof ausfallsweise aufnehmen sollen, bersten. in der zahlreichen wartezeit, die ich in den vergangenen wochen angehäuft habe, konnte ich mir ausreichend gedanken über die hintergründe dieses desasters machen. und jetzt weiß ich es: die ganze sache ist von langer hand geplant, die perfide rache eines kleinen mannes, der ganz groß werden wollte, aber immer schon geahnt haben muss, dass er das nicht schaffen würde. und da hat sich dieser kleine große mann beizeiten hingesetzt und sich ein diabolisches szenario ausgedacht, in dem eine ganze stadt zum leiden gezwungen wird – vom image- und materiellen schaden gar nicht zu reden. gesagt, getan, hat er dann die maßgaben für völlig überzogene abgaben an seine getreuen weitergegeben in dem bewusstsein, dass das in eine katastrophe münden würde. und jetzt haben wir den salat. und ich bin mir sicher: das leiden hat noch lange kein ende. und was mich an dieser erkenntnis wiederum verblüfft ist die tatsache, dass sich niemand dagegen wehrt. niemand steht auf und haut dem wirklich verantwortlichen dafür einen in die fresse. wäre ich nicht durch und durch pazifistin, ich würde es tun.

mrs princess

leben ist einstellungssache – wie ich ja schon immer finde. kürzlich sah ich diesbezüglich ein wunderbares beispiel in der sbahn. sie trug ein kostüm in reinem weiß, der schnitt lässig-modisch. sportlicher baumwollstoff. leicht geknittert. so etwas sieht man sicher häufiger bei segelregatten und am rande von golf-turnieren. die frau saß am fenster, einen rucksack (in weiß) auf dem schoß und blickte mit wachen, fröhlichen augen auf die welt. ihren gehstock hatte sie resolut zwischen ihre beine gestellt, die hände auf dem goldknauf aufgestützt. ihr schlohweißes haupt zierte ein basecap, ebenfalls in weiß. es trug die in gold gestickte aufschrift “prinzessin”. die frau war geschätzt weiter über 80. leben ist einstellungssache.

wer war clown dolly?

heute morgen in der sbahn hatte ich ein deja-vu. das launige geplänkel zwischen einem rot bekappten älteren mann, der um die frühe uhrzeit (8:45h) offensichtlich bereits von seinem frühschoppen kam, und einem trendgesetzten jungbanker, brachte mich auf die frage: wer war eigentlich clown dolly? denn während besagtem launigem wortwechsel, der dank der einsatzes von kurzzügen in der berufsverkehrszeit und den daraus resultierenden proppevollen wagen, gut hörbar ausfiel, griff rotkäppchen gegenüber dem banker, der sich über eine rempelei beschwerte, zu einem schimfwort, das mich aufhorchen ließ: “willste mich hier annerv’n, du clown dolly?”, wobei er es ‘klonndolli’ (kurzes o, alles in einem wort) aussprach. da war es. das schimpfwort meiner jugend. plötzlich erinnerte ich mich an momente, in denen sich meine eltern über irgendwen amüsierten, und denjenigen als “clown dolly” titulierten, wobei sie es ‘kloon dolli’ (langes o und zwei worte) aussprachen. handelt es sich hierbei um denselben kloon? ich meine ja. und seitdem denke drüber nach, ob es diesen clown wirklich gab und wer das wohl war, das er sich über so lange jahrzehnte als schimpfwort hält. googlen nach “clown dolly” ergab 808.000 treffen, die schreibweise “clown dolli” 920.000. puh.

auf filmportal.de stoße ich auf ein porträt winfried glatzeders, der 1976 einen clown namens dolli im tv-kinderzirkus spielte. bei zeit online lese ich in einem kommentar zu einem artikel über das klonen etwas vom berliner-mundart-ausdruck clown dolly in den 70er jahren. auch der versuch der eingrenzung des suchergebnisses durch “clown dolly mundart” führt mich nicht weiter. da kommt dolly buster. aha. beim tagesspiegel ist zu lesen, dass sich bürger lars diedrich auch mal wie clown dolli gefühlt hat, und diverse clown-websites vermarkten sich mit dolly oder dolli. was mir auffällt ist, dass der begriff in den 70er jahren sowohl in deutschland-ost als auch in deutschland-west sehr populär gewesen sein muss. nun gut. wenn sich die herkunft dieses begriffes per webrecherche nicht lösen lässt, muss ich wohl demnächst mal meine mutter fragen. und ansonsten sind sachdienliche hinweise natürlich auch gern an dieser stelle zu hinterlassen.