In der Blumenhölle

In der Blumenhölle

Die Pferde gesattelt, rauf auf den Wuhleradweg, eine Dauerkarte will abgewohnt werden. IGA, der zweite Versuch.

Also, erstmal vorneweg: Der Wuhleradweg ist toll. Für alle, die Idylle inmitten der Großstadt suchen, fahrt den Wuhleradweg! Immer ganz nah entlang der Wuhle führt er von Köpenick bis Arendsfelde. Größtenteils durch grüne Oasen, Brennnesselbüsche ranken in den Weg, das träge dahin fließende Gewässer mal links mal rechts des Wegs, fühlt man sich lange Zeit fernab von der Zivilisation. Gut, der Weg geht auch vorbei den historischen Relikten der sozialistischen Wohnkultur. Aber vielleicht macht gerade dieses Heteroge den Wuhleradweg so interessant. Jedenfalls, und das ist sogar gut durchdacht, führt der Wuhleradweg auch mitten durch das Berliner IGA-Gelände. Unterhalb des Kienberges quert man den IGA-Park, die Seilbahn gondelt über die Radler hinweg.

Blumen? Da war doch was…

Es ist einer der ersten wirklich heißen Über-30-Grad-Tage des Jahres. Dieses Mal betreten wir die Internationale Gartenausstellung von der Marzahner Seite. An den Kassen gähnende Leere. Anstelle eines erwarteten Blumenmeeres empfängt den bluminös eingestellten Besucher nach der Kasse (immerhin 20 Euro Eintritt für eine Tageskarte) eine Wand aus Beton.

Über den eklatanten Mangel an Blumen auf dieser Gartenschau habe ich ja bereits an anderer Stelle berichtet. Doch, wer mich kennt, weiß, so schnell gebe ich nicht auf. Heute will ich in die Blumenhalle. Der Name ist doch wohl Programm! Ja, Blumen gibt es dort. Vor allem jede Menge Hortensien, in allen Farben. Und Orchideen. Und Blumenarrangements. Doch alles in allem frage ich mich zum einen, wieso diese ganzen Hortensien hier drinnen in diesen improvisierten, lieblosen Halle stehen? Meine Hortensie steht seit Wochen draußen und verträgt das bislang wechselhafte Wetter wunderbar. Zum anderen frage ich mich, wie man so ein liebloses Arrangement von Blumenhalle auf eine Internationale Gartenschau setzen kann? Mir kommen einige Blumenhallen in Baumärkten in den Sinn, die weitaus charmanter gestaltet sind.

Nun, egal. Gut, dass direkt neben der Blumenhölle … äh Halle … die Seilbahnstation liegt. Flux reingehüpft, denn Massenandrang herrscht auch hier nicht mangels Besuchern. Die Berliner scheinen an einem sonnigen Sonntag Besseres vor zu haben, als sich Hortensien in Flugzeughangars anzusehen.

Beim Gondeln über das Gelände fällt auf, dass die Trockenheit der Gartenschau bereits vielerorts mächtig zusetzt. Gut bewässert ist dagegen der liebevoll umsorgte Weltacker. Hier wird es endlich mal informativ. Man erfährt etwas über Yamswurzel und Maniok und darüber wie viel Menschen man von 2.000 Quadratmeter klug genutzter Anbaufläche nachhaltig nachwachsend ernähren und versorgen kann. Und man erfährt, dass lediglich zwei Schweine notwendig sind, um das alles aufzufressen und schließlich zu Schnitzeln verarbeitet zu werden, die dann weitaus weniger Menschen einseitig fleischhaltig und nicht-nachwachsend ernähren.

Florale Gartenkunst am Wuhleradweg

Auch sonst ist der IGA-Campus informativ. Im herrlich nach Latschenkiefern duftenden Haus einer bekannten schwedischen Kettensägenfirma, erfahre ich wann die Kettensäge erfunden wurde. Der nächste Standort erzählt mir was von Fischen, die Tomaten züchten. Irgendwo geht es auch um Kunst und Gärtnern. Also, alles in allem nett gemacht und interessant, dieser IGA-Campus. Nur schade, dass die meisten IGA-Besucher diesen Bereich vermutlich lediglich per Seilbahn übergondeln – auf der Suche nach dem versprochenen „floralen Feuerwerk, dem MEHR aus Farben“, um mal die IGA-Website zu zitieren.

Voll ist es an diesem heißen Sonntag lediglich auf dem Wasserspielplatz, wo Drei- bis Fünfjährige einen Wettbewerb im Sich-die-Seele-aus-dem-Leib-kreischen veranstalten während sie unter den lustig hüpfenden Wasserfontänen durchtauchen.

Wir streben gen Ausgang. Wieder einmal verwundert darüber, wo der Garten in dieser Gartenausstellung sein soll, vom „floralen Feuerwerk“ ganz zu schweigen. Auf dem schönen Wuhleradweg zurück Richtung Köpenick fahren wir vorbei an floralen Feuerwerken privater Gartenkunst. Vielleicht hätten die IGA-Planer zwei bis drei Berliner Datschenbesitzer in ihre Planungsrunde einladen sollen…

IGA-Dauerkarte Teil 3 folgt …

Sag mir, wo die Blumen sind

Sag mir, wo die Blumen sind

Sag mir, wo die Blumen sind, wo sind sie geblieben? Dieses Lied geht mir unmittelbar durch den Kopf als ich erstmals die IGA Berlin 2017 besuche. Zumindest drängt sich diese Frage auf mit dem ersten Eindruck, den die Internationale Gartenausstellung vermittelt, wenn man das Gelände durch den als solchen vom Veranstalter bezeichneten Haupteingang an der Hellersdorfer Straße betritt.

Gut, wir wollen nicht ungerecht sein. VOR dem eigentlichen IGA-Gelände, in Höhe der Kassenhäuschen, blühen derzeit ein paar sehr hübsche, bunte Tulpenbeete. Und weiter? Also, man betritt das Gelände, rechter Hand ein Grashügel, linker Hand die Seilbahnstation. Da stürmt erstmal alles hin. Die wenigsten jedenfalls folgen den Pfaden durch das Gelände. Warum auch? Blumen sind weit und breit keine zu sehen.

Im Sumpf

Also, dann eben in die Seilbahn. Ey, das ist schon cool! Seilbahn fahren im ansonsten so flachländlichen Berlin ist für mich Harzer Bergziege sehr witzig. Während der Fahrt rauf auf den Kienberg schweift der Blick nach rechts und links. Ich suche Blumen. Immer noch. Vielleicht irre ich mich ja auch. Aber, bislang hatte ich diese bunten Gewächse als Hauptattraktion von Gartenschauen vermutet. Obwohl, ich muss zugeben, ich war auch noch nie auf einer Gartenausstellung. Weder regionaler, noch nationaler, geschweige denn internationaler Art. Und schließlich haben Gärten ja doch so viel mehr zu bieten als Blumen. Zum Beispiel einen Sumpf.

Ja, denn während der Fahrt rauf auf den Müllberg, fällt mein Blick auf Gras, ein paar Kinderschaukeln und auf einen Sumpf. Den haben sie zur IGA extra angelegt. Toll, ein Sumpf, denke ich. Vielleicht ist das eine Reminiszenz an die Stadt Berlin? Also, historisch betrachtet. Denn der Name Berlin soll ja auf den altslawischen Begriff berl für ‚Sumpf‘ zurückgehen, also braucht eine IGA in Berlin natürlich auch einen Sumpf. Ja, nee, is‘ klar.

Mittlerweile rauscht die Seilbahn dem sogenannten Wolkenhain auf dem ehemaligen Müllberg entgegen. Der Bau ist ein weißes Gebilde, eine Aussichtsplattform, ein…äh…? Ich weiß auch nicht, auf diesen Architektur kann ich mir keinen Reim machen. Und schließlich, ich bin ja auch nicht wegen der Architektur hier, sondern wegen … ach ja, wegen der Blumen.

Jetzt geht’s bergab

Auch während der Talfahrt der Seilbahn hinab auf die marzahnische IGA-Seite sind nicht wirklich viele Blumen zu sehen. Keine Meere von im Wind wogenden, bunten Köpfchen, keine Rabatten, kein Halm. Dafür gibt die gen Marzahn sausende Seilbahn den Blick frei auf die für den Bezirk so berühmte DDR-Platte. Doch, ja, die Ausblicke sind schon spektakulär. Und es ist auch toll, dass die Stadtplaner die IGA in diesem Bezirk angesiedelt haben, ehrlich gemeint. Ein bleibender Mehrwert für die Menschen, die hier leben, ist es allemal.

Die Gärten der Welt gab es dort ja bereits vor der IGA. Und es war auch eine gute Idee, diese Gärten mit der IGA zu koppeln. Denn so haben die GdW Zuwachs bekommen. Und diesem Zuwachs wenden wir unsere Schritte als nächstes zu, da wir am Haltepunkt Marzahn gezwungen wurden, die Seilbahn zu verlassen, O-Ton des jugendlichen Seilbahnwärters an meinen Mann gewandt: „Nee, Rundfahren machen wir keene, junger Mann.“ Schade, eigentlich. Ich hätte auch noch ’ne Runde gedreht.

Gartenkunst, Kunstgarten

Aus den IGA-Unterlagen erfahre ich, es handelt sich bei den Gärten-der-Welt-Neubauten um sogenannte Gartenkabinette, gestaltet von international renommierten Gartenarchitekten. Aha. An einem verrosteten, eisernen Schiffsbauch hängen silberne Urnen, aus denen was wächst – keine bunten Blumen. Ein anderes Kabinett erinnert an ein Spiegelkabinett mit Wasser drumrum. Im chinesischen Kabinett gibt es eine große, zugige Hütte. Der Libanon hält Kois in einem sehr trüben Wasser. Kanada arbeitet mit verkohltem Holz. Wir gehen weiter.

Nur, nebenbei bemerkt, Blumen blühen hier in den Gartenkabinetten selbstverständlich keine.

 

Syrische Bratwurst

Nun, so viel blumenlose Gartenkunst macht hungrig. Nahe der IGA-Arena – in sehr guter Hörweite zu den dort stattfindenden Veranstaltungen (erst wurde uns schreiender Hiphop serviert, dann ein Kinderchorkonzert – wunderbare Welt der Vielfalt!) – gibt es einen Selfservice. Wir stellen uns an. Die Bratwurst 3,90€ (Biobratwurst 4.90€), Biolimo 3€ plus Pfand – pro Person wohlgemerkt. Für die Bratwurst muss man am Biolimostand Jetons kaufen. Die beiden jungen Leute am Biolimostand sind ob des massenhaften Andrangs (von etwa fünf Menschen) völlig überfordert. Gut, es dauert halt.

Während ich mit den Biolimos einen Platz suche, stellt sich mein Mann am Bratwurststand an, bzw. da ist gar keine Schlange. Freu, das müsste also schnell gehen, denke ich. Ich warte und trinke schon mal einen Schluck Biolimo. Warte. Und noch einen Schluck, warte, noch einen … Als die Flasche nach einer guten Viertelstunde fast leer ist, kommt mein Mann mit den Bratwürsten. Ich frage, warum das so lange gedauert hat, wo da doch niemand vor ihm war. Er erklärt mir, dass der den Jetonwurststand betreuende junge Mann mit Migrationshintergrund (vermutlich nördliches Afrika) eine Wurst erst auf den Grill legt, sobald ein (hungriger) Gast vor ihm steht. Dann grillt er die Wurst seeehr langsam von jeder Seite, während sein Assistent, ein chinesischer Austauschstudent, mit dem Rösten des Brotes erst beginnt, sobald die Bratwurst aber wirklich gut durch ist. Ja, und das alles zusammengerechnet dauert halt.

Nun, egal. Zum Nachtisch noch eine Kugel Eis für 1.80€ (ohne Jetons), bummeln wir weiter begleitet von dem Kinderchor, den man wirklich sehr weit auf dem Gelände hören kann. Gartenkunst mit Musik.

Unterm Mandelbaum

Letztlich waren wir über drei Stunden unterwegs auf dem IGA-Gelände. Ein paar Blumenrabatten gab es auch noch am Wegesrand, hin und wieder wogten sogar ein paar Tulpen. Mandelbäume warfen ihre Blüten ab und verwandelten eine Wiese in ein rosa Meer. Und ansonsten bin ich mal gespannt, wie es denn bei meinem nächsten Besuch so aussieht auf der Berliner IGA. Denn schließlich habe ich ja eine Dauerkarte geschenkt bekommen. Und ich gelobe feierlich, ich werde nicht aufgeben, die Blumen zu suchen. Sag mir wo die Blumen sind…

Will be continued…