Safiro

Safiro

Er war der Manuel Neuer der Katzenwelt. Unglaublich lustig wie er sich hinter dem Türrahmen versteckte, meist lugte nur die Spitze eines Ohres hervor, und da lauerte er in Erwartung, dass ich einen seiner geliebten flauschigen Bälle warf. Kam dann ein Ball geflogen, hechtete Safiro mit einem Manuel-Neuer-würdigen Sprung torwartgleich aus seinem Versteck hervor und fing den Ball im Flug. Er fing jeden Ball. Immer. Ein Bild, dass für die Ewigkeit in mir leben wird.

Es sind so viele Bilder, die dieser tolle Kater für immer auf meine innere Netzhaut projiziert hat – wie er sich zum ersten Mal an mein Bein schmiegte, als ich ihn und seinen Bruder Ruby vor einem Jahr und vier Monaten zu mir holte; wie er lang ausgestreckt bis in die Pfotenspitzen auf dem Rücken neben mir auf dem Sofa lag und wohlig schlummerte; wie er sich als Nackenrolle hinter meinem Kopf platzierte und an meinen Haaren kaute; wie wunderschön er aussah mit seinen wie mit einem Kajalstift geschminkten schwarz umrandeten Augen; wie drollig er gucken konnte, wenn er dem Laserpoint hinterherjagte; wie charmant er schnurrte und wie laut er seine Meinung äußerte; wie er es sich auf der Bettdecke in meiner Kniebeuge gemütlich machte; wie er den Gartenweg entlangtrabte und sich nach mir umschaute.

Seit heute ist ein weiteres Bild dazugekommen, das Bild wie ich meinen steifen, toten Kater vom Straßenrand aufhebe und in meinen Armen nach Hause trage.

Ich habe nie wirklich verstanden, was die Liebe zu einem Tier bedeutet, bis diese beiden Fellnasen bei mir eingezogen sind. Da ist Verantwortung, die man plötzlich für lebendige Wesen hat. Sie wollen gefüttert, bespaßt und geliebt werden. Zum Dank geben sie Liebe zurück. Ungefiltert. Die geballte Ladung. Diese Katzenliebe hat mich bis ins Mark getroffen. Ich war nicht vorbereitet darauf, so unendlich geliebt zu werden und selbst wieder so unendlich zu lieben. Doch es ist passiert und ich bin sehr dankbar dafür.

Große Liebe bedeutet aber auch großen Schmerz, wenn dem Geliebten etwas passiert, egal ob Mensch oder Tier. Mir war immer klar, dass Freigänger-Katzen gefährlich leben. Das ändert nichts an der Tiefe des Schmerzes, die dieser Verlust auslöst.

Liebster Firo, ich habe dich so sehr geliebt. Danke, dass du mein Leben eine Zeit lang begleitet hast. Ich wünsche dir eine gute Reise und hoffe, da, wo du hingehst, gibt es auch Flummi-Seesterne, denen du weiterhin mit all deiner Leidenschaft hinterherjagen kannst. Dein Bruder Ruby und ich, wir werden dich unendlich vermissen.

Das letzte Foto von Safiro, in inniger Umarmung mit seinem Bruder Ruby.

How two cats saved my life

How two cats saved my life

Die Lockdown-Einsamkeit brachte es mit sich, dass der Absatz von bepelzten Freunden in Tierheimen boomte. Ich möchte vorausschicken, die Einsamkeit des Lockdowns war nicht mein Beweggrund, mir ein Tier anschaffen zu wollen.

Ich hatte kurz nach Joachims Tod den Impuls, jetzt ist die Zeit für eine Katze gekommen. Ein Satz von Joachim ging mir dabei durch den Kopf. Als wir uns kennenlernten sagte er: „Wenn du Katzen gehabt hättest, hätte ich mich nicht mit dir verabredet.“ Er sagte das nicht, weil er vielleicht eine Katzenallergie gehabt hätte. Nein. Für ihn bedeutete „Frau mit Katze“ eine Frau, die keinen Platz für einen Mann in ihrem Leben hat.

Ich weiß nicht, ob dieser Satz stimmt, oder ob er vielmehr dem männlichen Ego entsprungen war, dass sich gern als Mittelpunkt erleben wollte. Ich bemerkte nur, der Satz hatte sich mir eingeprägt. Als ich überlegte, eine Katze in mein Leben zu holen, fragte ich mich deswegen gleichzeitig „War es das mit den Männern für mich?“. Nach 12 Jahren, in denen ich zweimal die große Liebe erlebt, zweimal geheiratet und zweimal die Liebe meines Lebens begraben habe, ist das generell keine ganz aus der Luft gegriffene Frage. Ich habe sie für mich bisher nicht abschließend beantwortet. Doch ich weiß, ich bin ein zu sehr positiv gestimmter Mensch, als dass ich nicht gespannt wäre auf die weiteren Wendungen meines Lebens . So beschloss ich also, die nächste Wendung ist zunächst einmal das Leben mit einer Katze.

Viele Freunde begrüßten meinen Entschluss. Und eine Bekannte riet mir sogar, mir einen Kater zu holen, damit das männliche Element dadurch zumindest wieder ein wenig in meinem Leben sein könnte. Das konnte ich sehen, somit stand also das Geschlecht fest. Des Weiteren war für mich klar: Ein roter Kater sollte es ein.

 

Eine Katze finden, gar nicht so einfach

So weit, so gut. Das war im Frühjahr 2020. Gerade begann der erste Lockdown. Ich hielt online Ausschau nach „meinem Kater“. Ich wollte, wenn möglich, ein etwa einjähriges Tier. Da gab es hier und da ein Katerchen, welches infrage kam. Aber, irgendwie passte für mich nirgendwo alles ganz zusammen.

Eine der Quellen, die ich regelmäßig checkte, war die Site der Katzenhilfe Westerwald. Die Katzenhilfe hat eine Menge Katzen zu vermitteln, viele, deren Geschichte mein Herz rührte und mich fast von meinen Vorsätzen abweichen ließ. Denn ein roter Kater war nie dabei.

Erst im Juni war es dann endlich so weit. Die Maikatzen-Würfe brachten der Katzenhilfe ein paar rote Katerchen in Haus. Ich schlich wie eine Katze um den heißen Brei tagelang um die Website der Katzenhilfe Westerwald herum. Schaute mir immer wieder die Fotos der niedlichen kleinen Fellknäuel an. Tja, damit wäre mein Wunsch nach einem jungen erwachsenen Tier hinfällig. Zudem vermittelt die Katzenhilfe Jungtiere nur zu zweit.

Ich fragte mich, ob ich mir das zutraute. Zwei Katzen, und dann auch noch ganz kleine? Ich traute mich und vereinbarte einen Besuchstermin.

Naja, und als ich dann die kleinen Miezen besuchte, da war es natürlich um mich geschehen. Es war ein Wurf von sechs Geschwistern, fünf Brüder und ein Mädchen. Zwei rot-weiße Katerchen waren dabei, der Rest schwarz-grau getigert auf weiß. Einer dieser grauen Tiger hatte im Tierheim den Namen „Safiro“ erhalten. Da war klar, ich wollte einen Saphir und einen Rubin mit nach Hause nehmen. Denn der rote Kater sollte Ruby heißen.

 

Geflasht von Katzenliebe

Das war Ende Juni 2020. Bis September musste ich noch auf meine beiden pelzigen neuen Mitbewohner warten. Denn frühestens nach 12 Wochen sollten sie von der Mutter getrennt werden. Es waren lange und sehnsuchtsvolle Wochen für mich. Am 19. September zogen Safiro und Ruby ein.

Seitdem ist mein Leben wieder einmal ganz neu. Immer ist jemand da, der Ansprache wünscht. Immer ist jemand da, der versorgt werden will. Immer ist jemand da, der Liebe abgibt und Liebe annimmt.

Ich bin ziemlich geflasht davon, welche großen Gefühle die beiden Katzen in mir ausgelöst haben. Sie haben mich gelehrt, dass ich immer noch sehr viel und tief lieben kann, vielleicht eines Tages auch wieder einen Mann – insofern er eine Frau mit Katzen akzeptieren kann. Ich glaube, selbst Joachim hätte diesen beiden liebevollen Fellnasen nicht widerstehen können.

 

 

Nach dem Regen

Nach dem Regen

“Der Tod ist etwas Unbegreifliches, aber man kann sich mit ihm versöhnen.” (aus: Dark, S3E8)

Zum Gedenken an meinen wundervollen Ehemann, besten Freund und guten Weggefährten, ein Fotospaziergang durch Joachims Garten nach dem Regen..

 

Musik: sven a.p. moldovany

Fotos: Privatarchiv aus dem Hachenburger Garten

Hochzeitstag

Hochzeitstag

Für einen geliebten Geist

Du bist ein Schatten am Tage,
Und in der Nacht ein Licht;
Du lebst in meiner Klage,
Und stirbst im Herzen nicht.

Wo ich mein Zelt aufschlage,
Da wohnst du bei mir dicht;
Du bist mein Schatten am Tage,
Und in der Nacht ein Licht.

Wo ich auch nach dir frage,
Find’ ich von dir Bericht;
Du lebst im meiner Klage,
Und stirbst im Herzen nicht.

Du bist ein Schatten am Tage,
Und in der Nacht ein Licht;
Du lebst in meiner Klage,
Und stirbst im Herzen nicht.

(Friedrich Rückert)

Heute wäre unser vierter Hochzeitstag gewesen.

 

Heute

Heute

Ein Gedicht für zwei geliebte Männer

 

Heute vor elf Jahren feierten Henry und ich unseren gemeinsamen “90zigsten Geburtstag” mit einer unvergesslichen Gartenparty im Brandenburgischen.

Heute vor sieben Jahren starb mein geliebter Henry.

Heute vor zwei Jahren verließen Joachim und ich Berlin, für immer. Wie glücklich und voller Ideen für unsere gemeinsame Zukunft waren wir. Auf den Flügeln des Glücks flogen wir gen Westen. Waren gespannt auf unser Leben im Westerwald. Hatten so viele Ideen für den Garten, für das Haus, für unser gemeinsames Leben.

Heute. Ich sitze in unserem Garten und staune über die unendliche Schönheit, die in den vergangenen zwei Jahren hier entstanden ist. Alles blüht in Fülle. In jeder Pflanze, jeder Blume, in jedem Strauch steckt unsere Geschichte, steckt unser gemeinsames Bemühen für diesen Garten. Hier hat Joachims und meine Liebe einen sichtbaren Ausdruck in der Welt gefunden.

Heute. Ich sitze allein in unserem Garten.

Heute vor sieben Monaten und 20 Tagen starb mein geliebter Joachim.

 

Dies ist das letzte Foto von Joachim in unserem Garten, als er im Oktober 2019 die neuen Gemüsebeete anlegte. Einen Monat später starb er völlig unerwartet an einem Herzinfarkt.

Das sind die Beete heute, am 20. Juni 2020, an unserem zweiten Jahrestag im Westerwald.

Die Natur kennt keine Trauer

Die Natur kennt keine Trauer

Im November 2019, als mein Mann Joachim starb, konnte ich mir nicht vorstellen, jemals wieder in unserem geliebten Garten zu arbeiten. Schon allein das Sitzen im Garten war mir ein Graus. Und dennoch tat ich es.

Jeden Morgen packte ich mich warm ein, ging mit meinem ersten Kaffee hinaus, setzte mich in Joachims Gartenstuhl, dort wo er in den vergangenen 16 Monaten jeden Morgen mit Kaffee und Zigarette gesessen hatte, lehnte mich in das Polster und spürte ihm nach. Ich spürte seine Wärme in meinem Rücken, seine Berührung, seine Liebe.

Ich betrachtete unseren Garten. Was hatten wir geschaffen in diesen 16 Monaten! Wir hatten Blumenbeete angelegt, Bäume und Büsche gepflanzt, Stauden gesetzt, ein Naschbeet und ein Kohlbeet ausgehoben, Hochbeete gezimmert, Komposte gebaut, eine Terrasse überdacht und ein Gartenhaus renoviert.

Ich saß dort in seinem Stuhl und sah Joachim, wie er Unkrautfolie herauszog, Steine schleppte, eine Abflussleitung legte, einen Verschlag fürs Kaminholz baute, wie er grub, hackte und mähte. Ich hörte seine Bitte an mich, an diesem Morgensitzplatz seine geliebten Osterglocken zu pflanzen. Ich sah seine überschäumende Freude, wenn er mir eine neue Pflanze für den Garten mitbrachte.

An jedem Morgen waren wir zusammen durch den Garten gegangen, hatten voller Staunen und Freude gesehen wie alles wächst und blüht. Das Wunder der Natur war wie unser gemeinsames Wunder der Liebe. Wir waren vom ersten Moment an verliebt gewesen und unsere Liebe wuchs von Tag zu Tag, war so klar und erfrischend wie die Blüte einer Osterglocke. Hier mit diesem Garten hatten wir das gefunden, was uns gemeinsam erfüllte.

Vorbei.

Jetzt gehe ich morgens allein durch den Garten. Sehe in jeder Blume, in jedem Strauch die Geschichte, welche die Pflanze mit uns verbindet. Gerade sprießt der Bärlauch, auf den wir beide uns vergangenes Jahr so gefreut hatten als wir ihn setzten. Und Joachims Sauerampfer liefert bereits zartgrüne Blätter für erfrischende Smoothies. Auch sein geliebter Mangold schlägt wieder aus. Und die Knospen des Kirschbaums, den wir gemeinsam ausgesucht haben, stehen kurz vor dem Aufbrechen. Ich höre unsere Gespräche über die Himbeere oder den Bambus und ob sie vielleicht zu Raum greifend sein würden. Und ich musste lächeln dieser Tage als ich sah wie emsig die Himbeere Ableger produziert. Joachim hatte mich gewarnt…

Alles ist voll von unseren Geschichten. Jetzt werden sie nicht mehr fortgeschrieben, jedenfalls nicht mehr als unsere Geschichten. Alles, was ab jetzt dazukommt, ist nur noch meine Geschichte. Wieder einmal stehe ich da mit der Rechnung “Wir minus eins gleich eins”.

Jetzt ist Frühjahr. Joachims Tod ist viereinhalb Monate her. Und die Natur gibt einen Scheiss darauf, ob es mir gut geht oder nicht. Das Unkraut sprießt, die Büsche wachsen, Blumen wollen bewundert und Beete geharkt werden. Und so schwer es mir auch fiel, ich habe auf die Natur gehört. Ich habe Unkraut gejätet, Beete vom Winterkleid befreit, gehäckselt und geharkt. Ich habe jemanden engagiert zum Büsche beschneiden und Rasen mähen. Und das fiel besonders schwer, denn das wären Joachims Arbeiten gewesen.

Vor ein paar Tagen habe ich sein Kohlbeet gesäubert, von dem Kohl befreit, den Joachim im Winter nicht mehr ernten und nicht mehr essen konnte. An seinem Morgensitzplatz blühen gerade die Osterglocken, die ich im Herbst dort für ihn gepflanzt hatte. All das sind kleine Abschiede, die jeden Tag zu einer Herausforderung werden lassen. Die Herausforderung heißt: Weiterleben und nicht aufgeben. Wie das geht? Die Natur macht es vor. Sie kennt keine Trauer. Sie macht einfach weiter.

 

Joachim mit seinem ersten geernteten Kohl