Kann man den Tod bewältigen? Und was heißt das überhaupt? Lernt man dann, ihn zu akzeptieren, ihn zuzulassen? Was heißt bewältigen in diesem Zusammenhang? Der Tod gehört zum Leben dazu. Ist sein Antagonist. Schon wenn wir klein sind, lernen wir, dass Menschen sterben. Irgendwann ist die Oma nicht mehr da. Sie war alt, wird uns gesagt. Und wenn man alt ist, stirbt man. So ist es normal, heißt es. Als mein Mann starb, fragte mein damals dreijähriges Patenkind, wieso er denn so schnell alt geworden sei. Denn ihre kurz zuvor verstorbene Oma war alt. So erklärt sich der Tod im hohen Alter. Aber welche Erklärung geben wir der Dreijährigen, wenn jemand stirbt, der noch nicht alt war?

Es ist schwer, das zu erklären. Vor allem wenn der Tod so unvermittelt zuschlägt. Tage zuvor saß die Dreijährige noch auf den Schultern meines Mannes und hopste mit ihm durch die Gegend. Und plötzlich soll dieser Mensch ganz alt geworden sein? Für ein Kind unverständlich. Doch auch uns selbst entziehen sich unerwartete Tode dem Verstehen. Denn es gibt in diesem Falle kein Verstehen und keine Erklärungen. Und inzwischen weiß ich, man sollte nicht danach suchen. Nein, mehr noch, man darf in diesem Falle nicht nach dem Verstehen suchen. Das führt nur noch zu mehr Schmerz und Leid.

Auf den vorzeitigen Tod durch Krankheit kann man sich vorbereiten. Das Fortgehen lässt sich sogar planen und gestalten. Man kann Abschied nehmen. Und auch wenn jeder Abschied schmerzhaft ist, die zurück bleiben haben die Chance sich vorher damit zu arrangieren. Der plötzliche Tod dagegen reißt so unvermittelt und nachhaltig schmerzende Löcher in das Leben der Zurückbleibenden, dass man allein davon für lange Zeit erstmal ausgeknockt ist. Denn diese Löcher lassen sich nur schwer wieder schließen. Manche bleiben wahrscheinlich für immer.

Irgendwann, Monate nach dem Tod meines Mannes, stellte ich fest, dass ich mit dem Tod lebte. Er saß mit mir auf dem Sofa. Guckte mit mir Tatort. Er nahm die Mahlzeiten mit mir ein. Bettete seinen Kopf nachts neben mir aufs Kissen. Er fuhr mit mir zur Kur. Er reiste mit mir nach Afrika.

Wo Verstehen und Erklären versagen, hilft es, nach Akzeptanz zu suchen. Stück für Stück Habe ich versucht zu akzeptieren. Dass es funktioniert merkte ich daran, dass das Aufbegehren von Verstand und Körper gegen Erinnerungen weniger wird. Man hat akzeptiert, wenn man nicht mehr gegen die Erinnerung ankämpft, sondern sie zulassen kann und wenn man mit der Erinnerung leben kann, sie vielleicht sogar leichten Herzens betrachten kann.

Wie macht man weiter, wenn ein Leben endet? Diese Frage habe ich vor über zehn Monaten an dieser Stelle gestellt. Inzwischen habe ich viel über den Tod
gelernt, über das Leben, über Abschied, und ich habe viel über mich
gelernt. Es war und es ist immer noch ein harter Prozess. Aber auch ein
guter. Die Täler, durch die er mich geführt hat, waren oft dunkel und das
Durchqueren sehr schmerzhaft. Ich habe aber auch gelernt, dass selbst die schlimmsten Schmerzen irgendwann leichter zu ertragen sind.

Inzwischen sitzt der Tod nicht mehr auf meinem Sofa. Jetzt sitzt dort die Erinnerung. Und sie kann zwar auch traurig sein, aber meistens ist sie liebevoll oder sogar witzig. Durch die Erinnerung höre ich aus dem Off die Kommentare meines Mannes zu den wichtigen und unwichtigen Dingen am Wegesrand des Lebens. Und die will ich nun auch wieder versuchen in diesem Blog zu kommentieren. Denn dazu war es ja mal irgendwann in grauer Vorzeit ins Leben gerufen worden. Nun, ich bin auch wieder zurück im Leben. Das passt doch …